Es scheint vielleicht etwas merkwürdig Arbeit mit einer oder einem Geliebten zu vergleichen. Beginnen wir zuerst mit den Gemeinsamkeiten. Arbeit und Geliebte/r sind leidenschaftlich miteinander verbunden, fühlen sich gestärkt, geerdet, sinnerfüllt und lebensfroh. Die Zukunft strahlt in einem hellen, positiven Licht. Wenn man aneinander denkt, strömt ein angenehmes Gefühl durch den Körper – natürlich nicht immer, manchmal ist es vielleicht auch nervig, oder es liegen kleinere oder größere Konflikte in der Luft. Sind die Streitigkeiten beseitigt, nimmt das Leben aber wieder seinen gewohnten, angenehmen Gang auf.
Arbeit gibt uns Sinn, fordert unsere Kompetenzen und Wissen heraus, stärkt unsere Persönlichkeit, natürlich nur, wenn wir an dem für uns richtigen Arbeitsplatz sind. Passt die Arbeit nicht zu unseren Fähigkeiten, Vorstellungen und Visionen, dann kann sich langsam eine Depression entwickeln. Der eigentliche Sinn geht verloren.
Stress: Wenn der Perfektionismus inneren Druck erzeugt
Wenn Arbeit zur heimlichen Geliebten wird, dann verzerrt sich das Bild der Arbeit, Störfaktoren treten auf. Dann beginnt sich die innere Einstellung und das körperlichen Empfinden zur Arbeit zu verändern. Es entsteht ein innerer Druck.
Die Störfaktoren können sein: Perfektionismus, Ängste, (wie z.B. Angst vor Versagen, Angst nicht gut genug zu sein), zu große Identifikation mit der Arbeit (z.B. je mehr ich arbeite, desto stärker und selbstbewusster fühle ich mich, Arbeit als Liebesersatz), ein negatives Betriebsklima (Probleme mit dem Chef, den Kollegen, usw.).
Die schwerwiegendsten Störfaktoren sind Konditionierungen (anerzogenes/erlerntes Verhalten) und kleinere oder größere Traumata aus der eigenen Lebensgeschichte, besonders aus der Kindheit. Das sind Lebensereignisse und Lernerfahrungen, die uns als Kind oder Heranwachsende erschreckt, betroffen, mit Angst oder Scham besetzt haben.
Das können Aussagen sein wie „Das lernst du nie“ oder „Was werden denn da die anderen sagen?“ „Du musst immer aufpassen, dass du alles richtigmachst“, „Pass auf, dass nichts passiert“, „Du machst was ich sage, keine Widerrede, sonst…“ uvm. Diese Störfaktoren wirken unbewusst permanent auf unser Denken und Handeln.Manchmal sind es wirklich nur – aus heutiger Sicht – Kleinigkeiten, aber mit großer Wirkung für ein kleines Kind/Jugendlichen und weitreichenden Konsequenzen für das psychische Erleben von Arbeit und in der Arbeit.
Fallgeschichte
Frau X ist Köchin in einem herrschaftlichen Haus und alleinerziehend. Sie ist abhängig von ihrer Arbeit und lehrt ihren Sohn, dass es wichtig ist, sich zu benehmen und nicht aufzufallen. „Es muss alles gut funktionieren“ hört der kleine Junge tagein, tagaus. Besonders schwierig ist es für ihn in der Schule. Er muss gut sein, denn sonst hört es die „Herrschaft“. Der Druck führt zu massiven Lernblockaden und Angst vor Versagen. 40 Jahre später bricht der Mann zusammen. Seine geistigen und körperlichen Ressourcen sind erschöpft. Sein Problem: Er hat immer funktioniert, sein einziger Gedanke an seinem Arbeitsplatz war „Ich muss funktionieren, es darf nichts schiefgehen”. Beruflich war er bis jetzt sehr erfolgreich und sehr geschätzt. Man konnte sich immer auf ihn verlassen. Er hat viel zu viel Verantwortung übernommen, zu viele Überstunden gemacht, die Angst vor Versagen war sein täglicher Begleiter. Zur Ruhe kommen hat er nie gelernt.
BILDUNGaktuell-Buchtipp
„Prävention von Erschöpfung in der Arbeitswelt; betriebliches Gesundheitsmanagement, interdisziplinäre Konzept, Biofeedback” (Dr. Ingrid Pirker-Binder; Springer Berlin Heidelberg, 2016)
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Die (un)heimliche Geliebte verursacht ständig Stress, denn sie liegt uns nicht am Herzen, sondern unangenehm auf dem Herzen. Sie macht uns unruhig und ängstlich, erhöht durch die innere Anspannung den Puls, oft auch den Blutdruck, fördert Kopfschmerzen, Magenschmerzen uvm. Sie stört die Nachtruhe, denn kaum liegen wir ruhig im Bett schleicht sie sich in unsere Gedanken. Meist tritt sie auch schon Sonntagnachmittag in Erscheinung, sie lässt uns grübeln und sorgen, was denn der Montag oder auch die ganze Woche für Probleme, Stress etc. bringen und zweifeln, ob alles gut gehen wird. Wie wird man sie denn wieder los?
Dem Stress keine Chance geben
Die Lösung heißt Stresstherapie und ein individuelles Achtsamkeitstraining mit Biofeedback. In der Psychotherapie werden anhand der LebensSkriptAnalyse ® die Störfaktoren erarbeitet, ihre Wirkung auf die Gegenwart erfühlt, bewertet und verarbeitet. Im Biofeedbacktraining lernt und übt man Selbstkontrolle der eigenen Emotionen, innere Ruhe und Reduktion stressbedingter Beschwerden. Die Arbeits- und Wirtschaftspsychotherapie kann Betroffenen helfen, der Stressspirale bzw. einem Burnout zu entkommen.
Über die Autorin:
MMag. Dr. Ingrid Pirker-Binder ist Gründerin des Institutes BiCo, des Zentrums für betriebliche Gesundheit in Wien/Eisenstadt und des Zentrums für Biofeedback. Zudem ist sie gerichtlich beeidete und zertifizierte Sachverständige für Psychotherapie in den Bereichen Arbeitsfähigkeit und Burnout. Sie veröffentlicht in ihrem Blog jeden Monat inspirierende Beiträge zu den Themen Stressbewältigung und Burnoutprävention.