Angesichts der rasanten Entwicklung von Lerninnovationen könnte die Lernqualität auf der Strecke bleiben, befürchtet Christian M. Stracke von der Universität Duisburg-Essen. Sinnvoll eingesetzt erleichterten die technologische Weiterentwicklungen allerdings den Bildungserwerb: Open Learning heißt das Ziel. Was diese gar nicht so neue, aber noch nicht flächendeckend verbreitete Lernform ausmacht und welche Voraussetzungen für ihr Gelingen nötig sind, erörtert der Keynote Speaker im Rahmen der Austrian eLearning Conference am Donnerstag, 7. November, in der Messe Wien.
„Offenes Lernen meint die Öffnung des Lernens und der Lernumgebung – und dies vor allem in der formalen Ausbildung in Schulen und Universitäten“, erläutert Christian Stracke. Dort werde vielfach noch traditionell unterrichtet – mit der klassischen Rolle des Lehrenden als dem Vermittler von Lehrinhalten. Diese althergebrachten Rollen und Aufgaben änderten sich beim Offenen Lernen grundsätzlich: „Es geht nicht mehr darum, Inhalte zu vermitteln, sondern deren Entdeckung und Erarbeitung zu ermöglichen.“
In kleinen Lerngruppen und mit Hilfe von vorbereiteten Aufgabenstellungen könnten sich Schülerinnen und Schüler selbstständig ein Thema erarbeiten und sich neue Möglichkeiten des selbstentdeckenden Lernens in der Zusammenarbeit mit ihren Klassenkameraden erschließen – auch über Schul- und Landesgrenzen hinweg, da vielfach online gesucht, erforscht und gearbeitet werde. Lehrende würden dabei nicht etwa überflüssig, sondern übernähmen die Rolle von Moderatoren und Tutoren – für viele eine völlig neue Aufgabe.
Europäische Kommission fördert Open Learning
Dazu erhielten sie aber auch Unterstützung: Zur Vorbereitung der Unterrichtseinheiten könnten Lehrkräfte und Ausbilder auf Offene Lernmaterialen (sogenannte OERs – Open Educational Resources), zurückgreifen. Auf europäischer Ebene sei Offenes Lernen gerade durch die neue Kommunikation der Europäischen Kommission „Opening Up Education“ adressiert worden. Die europäische Leitinitiative „Open Discovery Space“ bringe über 2.000 Schulen und 10.000 Lehrende in allen europäischen Ländern zusammen und stelle ein einzigartiges Portal für die Zusammenarbeit online und den Austausch von offenen Lernmaterialien bereit.
Open Learning diene zur Bereicherung des bisherigen Unterrichts und steigere die Motivation der Schülerinnen und Schüler. Die wesentlich intensiveren und nachhaltigeren Lernprozesse bereiteten zudem besser auf das Arbeitsleben und die Gesellschaft vor. Christian Stracke verweist aber auch auf das Risiko, dass die Lernqualität angesichts der rasanten technologischen Entwicklungen aus dem Blickwinkel gerate. „Dies ist eine Gefahr, die ich schon vor vielen Jahren gesehen habe und die immer noch besteht. Wir haben daher schon früh angefangen, internationale Qualitätsstandards für die Aus- und Weiterbildung zu entwickeln, um die Verbesserung der Lernqualität zu fokussieren und zu unterstützen“, erklärt der Wissenschaftler, der an der Erarbeitung von Standards beteiligt ist.
Einbettung in Lernkonzepte zur Qualitätssicherung
Die notwendige Diskussion um die Lernqualität soll mithilfe der jährlichen LINQ-Konferenz geführt werden. Die Abkürzung „Learning Innovations and Learning Quality“ steht für die Kombination und Verknüpfung von Lerninnovationen und Lernqualität. „Ich bin der festen Überzeugung, dass eine ausgewogene Balance zwischen Lerninnovationen und Lernqualität gefunden werden muss, damit langfristig die Qualität in der Aus- und Weiterbildung gesteigert werden kann“, betont Stracke. Dabei räume er der Lernqualität weiterhin Priorität ein. „Wir können viel von technologischen Innovationen profitieren, aber sie müssen eingebettet sein in ein umfassendes Konzept, da jede Situation, jede Zielgruppe und jedes Lernziel sich anders gestalten.“
Doch zunächst müsse Open Learning erst einmal ermöglicht werden. Diesen Zweck verfolge die Initiative ICORE: „ICORE steht für International Council for Open Research and Open Education und bringt alle interessierten Organisationen, Experten und Interessenten zusammen, um die Verbindung von Open Research und Open Education zu unterstützen und zu verbessern.“ Die Aus- und Weiterbildung könne noch sehr viel von den kostenlosen Ergebnissen des Open Research profitieren, glaubt Stracke. „Wir hoffen, dass noch viele Organisationen und Einzelpersonen ICORE kostenfrei beitreten und dass diese weltweite Initiative hilft, Offenes Lernen zu etablieren und zu verbreiten.“
Zwei Tage Programm inclusive Networking Night
Einen Überblick über das zweitägige Programm an Keynote-Vorträgen, Podiumsdiskussionen, Sessions, Best Practice Café, Solutions-Track, Networking Night und Guided Surprise Tour durch das E-Learning-Cluster der Professional Learning Austria gibt es unter www.aelc.at. Über diese Website können Interessenten zudem ihre Konferenztickets bestellen. Der Besuch der Fachmessen Personal Austria und Professional Learning Austria sowie die Teilnahme an der Networking Night am Mittwoch, 6. November, sind im Preis inbegriffen.
Vortragstermin auf der Austrian eLearning Conference
Keynote-Vortrag “The future of eLearning – Open Learning and beyond”
Donnerstag, 7. November 2013, 9.30 bis 10.15 Uhr, Halle C, Messe Wien
Über Prof. (KR) Christian M. Stracke
Prof. (KR) Christian M. Stracke ist Europäischer und internationaler Koordinator und Teamleiter für HR, E-Learning, Qualitätsmanagement und Kompetenzentwicklung an der Universität Duisburg-Essen und Adjunct Professor an der Korea National Open University (KNOU) in Seoul. Seine Schwerpunkte sind innovatives und technologie-unterstütztes Lernen (E-Learning), Impact Measurement und Kompetenzmodellierung sowie Qualitätsentwicklung, Evaluation und Standardisierung in der Aus- und Weiterbildung. Er ist gewählter ISO-Convener des internationalen Standardisierungskommittees SC36 und gewählter Leiter des europäischen Standardisierungskommittees CEN TC 353.
Über die Austrian eLearning Conference (AeLC)
Die Austrian eLearning Conference, kurz AeLC, ist die branchenübergreifende Informations- und Vernetzungsplattform zum Thema eLearning in Österreich. Mit hochkarätigen Vorträgen, Best-Practice-Beispielen und Workshops beleuchtet der Kongress jährlich aktuelle Trends und Entwicklungen parallel zu den Fachmessen Personal Austria und Professional Learning in der Messe Wien. Die Anbindung an Österreichs Messe-Treffpunkt für das Personalmanagement ermöglicht einen regen Austausch zwischen Experten, Personalverantwortlichen und Anbietern.
Link zum Thema
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