Die Abteilung für Bildungswissenschaft der WU hat Dropouts und Early School Leavers (frühe SchulabbrecherInnen) in einer qualitativen Längsschnittstudie über fünf Jahre forschungsmäßig begleitet. WU-Professorin Erna Nairz-Wirth, WU-Forscherin Marie Gitschthaler und Prof. Klaus Feldmann haben die Ursachen und Folgen des Schulabbruchs der Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen, die aus unterschiedlichen sozialen Milieus stammen, untersucht. Die Studie ist im deutschsprachigen Raum einzigartig. EU-weit gibt es ca. 5,5 Millionen frühe SchulabbrecherInnen; in Österreich sind es laut Statistik Austria derzeit 7 von 100 aus der Gruppe der 18 bis 24-Jährigen.
Ziel der Studie, die von der Arbeiterkammer Wien und der Stadt Wien (MA 23) gefördert wurde, war es, Einblicke in die individuellen Biografien, die schulischen Erfahrungen und die unterschiedlichen Bewältigungsstrategien von Dropouts/Early School Leavers zu erhalten. Early School Leavers sind Jugendliche, die das Bildungssystem verlassen haben, bevor sie einen Abschluss auf der Sekundarstufe II (z.B. Lehrabschluss, Matura) erreicht haben und vier Wochen vor Erhebung nicht in einer Weiterbildungsmaßnahme eingeschrieben sind. Die volkswirtschaftlichen und individuellen Folgekosten sind schwerwiegend: ein Schulabbrecher kostet der Gesellschaft laut einer Studie der EU-Kommission 1,8 Millionen Euro und die Betroffenen sind oft arbeitslos oder prekär beschäftigt.
Dropout-Studie zeigt auf, warum Jugendliche die Schule abbrechen
Ein früher Schulabgang, so das Ergebnis der WU-Studie, ist das Resultat eines langen Entwicklungsprozesses, der in der Bildungslaufbahn oft sehr früh (Primärgruppe, Kindergarten und Volksschule) seinen Anfang nimmt. Es gibt immer mehrere Ursachen und Risikofaktoren, die einen Schulabbruch auslösen. Mobbingerfahrungen, schlechte Noten oft einhergehend mit Schulangst, schlechte Lehrer-Schüler-Beziehung, Klassenwiederholung, Schulwechsel, Probleme innerhalb der Familie und ein ungünstiger Einfluss schulschwänzender FreundInnen zählen ebenso zu diesen Faktoren wie nicht rechtzeitig erkannte Lernschwächen. Generell stellen die AutorInnen der Studie eine mangelnde Übergangsgestaltung an österreichischen Bildungsinstitutionen fest. So ist der Wechsel in eine neue Bildungseinrichtung auf jeder Stufe ein kritisches Ereignis.
Häufige Folgen eines frühen Schulabbruchs
In den Gesprächen nannten die Jugendlichen immer wieder folgende Auswirkungen des Schulabbruchs: Exklusion vom Arbeitsmarkt, Erosion sozialer Beziehungen, sozialer Rückzug und schwindende Teilhabe am gesellschaftlichen Leben aus Schutz vor Stigmatisierung oder schlicht aufgrund finanziellen Mangels. Besonders schwerwiegend sind die negativen Erfahrungen in der Arbeitswelt aufgrund der Stigmatisierung durch den frühen Schulabgang und die negativen Zukunftsperspektiven (Langzeitarbeitslosigkeit, verringerte gesellschaftliche Teilhabe). Die betroffenen Jugendlichen berichten über Zukunftsängste, Gefühle der Einsamkeit und Nutzlosigkeit bis hin zu Fatalismus und Resignation. Häufig sind auch körperliche und psychische Symptome, etwa diffuse Schmerzen oder depressive Verstimmungen anzutreffen. Umso wichtiger sind präventive Maßnahmen, die nicht nur beim Individuum, sondern – dies bestätigen die im Zuge dieser Studie ebenso recherchierten Best-Practice-Modelle – vor allem im System der Schule, der Familie und der Kooperationen mit der Gemeinde ansetzen.
Hier können Sie die Studie kostenlos als PDF downloaden