Job, Karriere oder Berufung? Welche Einstellung wir zu unserer Arbeit haben, ist nicht egal. Von Existenzsicherung, Engagement und Erfüllung – ein Artikel, der Sie in Zukunft vielleicht mit einem anderen Gefühl ins Büro gehen lässt.
Die Haltung, die wir zu Dingen haben, bestimmt unterschwellig unsere Bereitschaft, uns für etwas zu engagieren. Viele Menschen leben in der Überzeugung, dass nur alles, wofür sie bezahlt werden, Arbeit ist und alles, was Spaß macht, nicht. Aber die Zeiten ändern sich. Die großen Chancen, die sich aus dem Heute ergeben, werden leider häufig von der negativen Grundhaltung der Vergangenheit verdeckt. Für ein neues Verständnis ist es wichtig, sich die eigene Haltung zum Thema Arbeit einmal bewusst zu machen.
Typischerweise ergeben sich drei unterschiedliche Sichtweisen auf die Arbeit. Sie kann als Job, Karriere oder Berufung verstanden werden. Diese drei grundlegenden Einstellungen zur Arbeit beschreiben verschiedene Experten wie Roy F. Baumeister in seinem Buch Meanings of Life (1992) oder Amy Wrzesniewski, Professorin an der Universität Yale, in ihren Untersuchungen zum Thema Job Crafting (1995). Schon die Vorstellung von der eigenen Arbeit birgt Hinweise darauf, wie zufrieden wir sind mit dem, was wir tun. Oft kommt es dabei zum Konflikt zwischen Kopf und Herz beziehungsweise zwischen Karriere und Persönlichkeit, welche sich häufig gegenseitig auszuschließen scheinen. Mit welcher Haltung gehen Sie an die Arbeit?
Job: „Ich bin nicht zuständig“
Sehr viele Menschen sind zwar unzufrieden mit ihrem Job, stellen diesen Umstand jedoch kaum infrage, denn sie sehen das, womit sie mindestens acht Stunden ihrer Lebenszeit täglich verbringen, lediglich als Job – nämlich als ein notwendiges Übel zur Existenzsicherung. Die Frage der Selbstverwirklichung stellt sich gar nicht. Alles läuft nach dem Schema: zur Arbeit gehen, Dinge abarbeiten, in Meetings sitzen und die Zeit halbwegs unbeschadet rumkriegen, um sich dann wieder dem „echten“ Leben und dem, was man gerne tut, widmen zu können. Menschen, die ihre Arbeit als bloßen Job sehen, suchen Sinn und Erfüllung ausschließlich woanders und nicht in dem, was sie den ganzen Tag tun.
Manche werden von ihren Jobs so sehr unterfordert, dass sie es nebenbei locker schaffen, das „Ende des Internets“ zu erreichen. Hört sich lustig an, ist aber fürchterlich. Denn Unterforderung ist mindestens so schlimm wie Überforderung. So selten ist die große Langeweile im Job nicht, denn es gibt dafür sogar einen eigenen Begriff – „Boreout“. „Rund 60 Prozent der jungen Arbeitnehmer bis 29 Jahre haben das Gefühl, mehr leisten zu können als im Job verlangt wird. Umgekehrt geben nur 6,1 Prozent an, dass ihre Tätigkeit zu schwierig sei.“ So heißt es 2011 in einem Bericht der Bundesregierung. Manche stehen ihrem Job auch indifferent gegenüber. Er bringt mich nicht um, aber er beflügelt mich auch nicht. Es gibt auch noch die sogenannten guten Jobs. Hier weiß man zwar, dass man nicht gerade die Aufgabe hat, die Welt zu retten, man hat es aber auch nicht schlecht und freut sich über festes Gehalt, Urlaubsgeld und Rentenbeiträge so sehr, dass man sich um persönliche Entfaltung kaum Gedanken macht. Die Revolution ist abgesagt.
Karriere: „Ich bin im Stress“
Andere, meist sehr ambitionierte Menschen, sehen ihre Arbeit als mehr, nämlich als Karriere, und verbinden vor allem Erfolg, Status und Geld mit ihrer Erwerbstätigkeit. Sie glauben, dass ein „guter Job“ sie von anderen abhebt, und richten ihre Arbeitsleistung auf das Erklimmen von Posten innerhalb einer Firma aus.
Aber nicht nur unsympathische Menschen sprechen bei ihrer Arbeit von Karriere. Einige möchten wirklich etwas bewegen, Verantwortung übernehmen und Vorbild sein. Trotzdem wird das Wort „Karriere“ sehr stark mit dem Gedanken des finanziellen Wohlstands und sozialen Ansehens verbunden. Seien wir ehrlich: Ohne hohes Gehalt und zumindest ein Business-Class-Ticket ist es auch keine echte Karriere. Um die tatsächliche Tätigkeit, den Beitrag, der nicht an Firmenziele, sondern persönliche Wertvorstellungen gekoppelt ist, geht es nur noch in zweiter oder dritter Linie. Einige glauben sogar plötzlich, die Firmenziele seien die eigenen.
Viele Arbeitgeber wünschen eine „Identifikation“ ihrer Mitarbeiter mit dem Unternehmen. Für den Karrieristen bedeutet das, sich an die vorgegebenen Strukturen anpassen und sie auch noch toll finden zu müssen. Häufig merkt er erst spät, dass eine klassische Karriere sich meist zwangsläufig abseits seiner individuellen Lebensträume abspielt. Ansonsten bräuchten wir Begriffe wie „Work-Life-Balance“ nicht zu erfinden und müssten uns auch nicht über ausgebrannte Manager unterhalten. Weil die Lebensmodelle sich zunehmend verändern, werden der klassischen „Kaminkarriere“, bei der junge Talente möglichst rasch und geradlinig die obersten Plätze besetzen, alternative Ausprägungen zur Seite gestellt. Es ist von „Treppenkarriere“ (auf und ab), „Mosaikkarriere“ (Stück für Stück) oder „Patchworkkarriere“ (mittendrin mal ganz was anderes) die Rede.Deutlich wird, dass der moderne Mensch mehr und mehr seine Freiheit und Zeitsouveränität zurückerlangen, auf eine berufliche Karriere jedoch auch nicht ganz verzichten möchte.
Berufung: „Ich bin, was ich tue“
Dann gibt es noch diejenigen, die ihre Arbeit als individuellen Beitrag in der Welt verstehen. Menschen, die sich über ihr Tun und den positiven Einfluss, den sie ausüben, definieren und als Idealisten vorangehen. Jene Menschen, die ihre Herzensprojekte in die Welt bringen, die unter Umständen auch abseits ihres Berufes die Gesellschaft mit ihrer Arbeit bereichern.
Häufig sind es Künstler oder Kreative. Sie spüren einen starken inneren Drang, sich über ihre Arbeit ausdrücken zu wollen, sagen oft sogar: „Ich kann nichts anderes.“ Eine Berufung zu haben, also einen bestimmten Ruf zu hören, dem man folgen muss, kann im Extremfall auch zwanghaft sein beziehungsweise auslaugen. Begriffe wie „Karriere“ spielen hier keine Rolle. Es geht um einen schöpferischen Lebensstil, nicht darum, Führungskraft zu werden oder den betriebsinternen Aufstieg zu erkämpfen.
Menschen, die ihr Schaffen als Erfüllung empfinden, erleben wohl die schönste Form der Arbeit. Erfüllend kann jede Tätigkeit sein, solange sie im Einklang mit persönlichen Begabungen, Interessen und Wünschen ist. Erfüllung zu finden ist in jeder Art der Beschäftigung möglich: Angestellte können ihren Job als Mission verstehen, Selbstständige können ihr Unternehmen mit Leidenschaft führen. Auch Menschen, die geliebte Projekte mit Engagement in ihrer Freizeit durchführen, können darin Erfüllung finden. Sie alle sind „Unternehmer“ im Sinne von „workisnotajob.“, sind Gestalter und verkörpern eine Haltung des Sich-zuständig-Fühlens.
Was bedeutet Ihnen Ihre Arbeit?
Seien wir ehrlich: Jobs sind ein Fluch. Aber die eigene Arbeit ist ein Geschenk. Um das zu erkennen, braucht es eine neue Haltung zur Arbeit. Eine positive Mentalität, die ausdrückt, dass wir mit unserer Arbeit Gestalter sind und nicht durch sie zum Opfer werden. Und dazu gehört keinesfalls nur Erwerbsarbeit, sondern auch die Aufwertung anderer Formen des Tätigseins, beispielsweise in der Familie. Je mehr Menschen ihre Ideen umsetzen, leidenschaftliche Projekte in die Welt bringen, ihre Individualität in ihre Arbeit stecken und sie teilen, desto reicher ist unsere Gesellschaft und desto glücklicher kann auch der einzelne Mensch werden. Die Herausforderung besteht darin, seine idealen Szenarien selbst zu gestalten. Können wir uns tatsächlich vom alten Arbeitsbegriff frei machen, sodass Platz ist für neue Gedanken und neue Lebensentwürfe? Eines ist klar, in einem Kopf voller Ängste ist kein Platz für Träume. Eine positive Definition von Arbeit zu leben, die den persönlichen Sinn und den gesellschaftlichen Wert der Arbeit in den Vordergrund stellt, ist extrem wichtig. Wer seine Arbeit nur als Job versteht, sieht Arbeit als etwas Fremdes, nicht als etwas Selbstgestaltetes. Als etwas, das nur erledigt wird, weil der Lebensunterhalt verdient werden muss. Sie als mehr ansehen zu können, bedeutet eine große Befreiung und einen enormen Gewinn an Gestaltungsmöglichkeiten.
Dieser Text wurde in der eMagazin-Ausgabe 11/2013 veröffentlicht und ist ein Auszug aus dem Buch von Catharina Bruns „work is not a job – Was Arbeit ist, entscheidest du!“, erschienen September 2013 im Campus Verlag.