Arbeitswelt, Lernwelt und Umwelt ändern sich. Das bringt auch neue Anforderungen und Bedürfnisse der Lernenden mit sich. Welche das sind, analysiert Mag. Barbara Kluger-Schieder. Sie leitet die Bildungseinrichtungen der Wirtschaftskammer Wien, Österreichs größter privater Bildungsanbieter. Das WIFI Wien mit den Marken WIFI Management Forum und Werbe Akademie bildet das Herzstück der Bildungseinrichtungen.
Aktuell ändern sich die Berufsprofile und die Anforderungen an die ArbeitnehmerInnen stark. Die Digitalisierung reicht weit in die Arbeitswelt hinein. Das hat nicht nur eine technische Seite – es geht nicht nur um Wissen und Können, sondern beinhaltet auch Aspekte wie das Führen im digitalen Raum oder den Umgang mit virtuellen Teams. Das Maß der verlangten sozialen Kompetenzen steigt damit an.
Zusätzlich werden manche Tätigkeiten durch die Digitalisierung und Automatisierung überflüssig. ArbeitnehmerInnen lassen sich umschulen und entwickeln sich zum Beispiel in Richtung Dienstleistungs- und Pflegebereich. Hier sind verstärkt Kommunikations-Skills gefordert. Eine WKO-Studie zum Thema Bildung der Zukunft hat prognostiziert, dass bei Berufstätigen bis 2030 nicht nur fünfzig Prozent mehr technologische, sondern auch über 25 Prozent mehr soziale und emotionale Fähigkeiten gefragt sein werden.
Dazu kommt: Schon jetzt passiert Lernen immer und überall. Für die Zukunft bedeutet das, dass individuell und flexibel genau die Inhalte auf genau die Art angeboten werden müssen, die der aktuellen Lebensrealität der Lernenden entsprechen. Deshalb ändert sich nicht nur das Lernen grundlegend, auch das Lehren findet auf neuen Wegen statt. Betrachten wir noch die verschiedenen Themenbereiche, die in Zukunft eine stärkere Rolle spielen werden, so erwarten wir eine zunehmende Nachfrage in den Bereichen Innovation und Unternehmertum, Controlling und Finanzmanagement, Kompetenz- und Skills-Management, Digitalisierung und Gesundheit. Vor allem dieser letzte Bereich hat aufgrund der Corona-Krise, die bei vielen Menschen zu einem Umdenken geführt hat, an Bedeutung gewonnen.
Wie lernen wir 2022 – und in Zukunft?
Wenn sich die Arbeitswelt, die Lernwelt, die Umwelt und damit auch die Anforderungen und die Bedürfnisse der Lernenden verändern, müssen sich auch Lernformen und -prozesse wandeln. Eine offene Lernkultur und individualisierte Lehr- und Lernmöglichkeiten sind für Lernende unabdingbar. Menschen möchten lernen, wann sie Zeit und Lust haben. Sie brauchen virtuelle Lernplattformen bzw. die Möglichkeit, E-Learning- und Präsenzphasen je nach Bedarf unterschiedlich gewichten zu können. Aber auch mobilere Lernräume, in denen es beispielsweise statt einer fixen Klassenbestuhlung Sessel mit Rollen gibt und wo man Boden und Wände beschreiben kann.
Beim E-Learning steht Qualität – besonders aufgrund der Erfahrungen aus der Corona-Krise – im Fokus. Heute wissen wir, dass es nichts nützt, wenn man auf einer Lernplattform ein How-To-Video hochlädt und die Lernenden weder davor noch danach unterstützt. Lernplattformen müssen ein begleiteter Weg des Lernens sein, inklusive Präsenzphasen. Beliebt sind Peergroups, um sich auszutauschen, nicht nur in den Persönlichkeitsbildungs-, sondern auch den fachlichen Programmen.
Sehr realistisch ist es, dass Lernende zukünftig etwa 50 Prozent ihrer Lernzeit in einem virtuellen Format verbringen. Ganz ohne reale Sozialkontakte wird Lernen aber schnell einsam, trotz aller Top-Online-Tools. Lernen braucht soziales Miteinander und Emotionen. Die virtuelle Welt kann unser soziales Netzwerk in der Realität nur ergänzen, nicht ersetzen. Auch das hat uns Corona gelehrt.
Lebenslanges Lernen – sind wir alle gefordert?
Bei rund 15 Prozent der berufstätigen Erwachsenen sprechen wir von lebenslangem Lernen. Meist sind es Führungskräfte, die längere, modulartig aufgebaute Lehrgänge besuchen. Das ist vielleicht eine Frage der besseren finanziellen Mittel. Ich beobachte aber auch, dass die Einstellung, seine Kompetenzen laufend erweitern zu wollen, in bestimmten Positionen üblicher ist. Eine starke Motivation ist obendrein Voraussetzung für lebenslanges Lernen, denn im Normalfall passiert Weiterbildung berufsbegleitend. Das ist fordernd […]