Konflikte am Arbeitsplatz: 10 Strategien, um Angriffe zu kontern

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Konflikte am Arbeitsplatz kosten Zeit, Energie und vor allem Nerven. Doch das muss nicht sein. Das Buch von Philipp Karch „Was mich ärgert, entscheide ich” (Verlag BusinessVillage) zeigt Wege, aufkommende Konflikte zu deeskalieren, ihre Ursachen zu analysieren, den Ärger zu minimieren und dem Gegenüber seine Grenzen aufzeigen. Einen Auszug aus dem Buch lesen hier:

Betrachten wir die zehn Quick-and-Dirty-Strategien anhand eines Beispiels aus dem Berufsalltag: Nehmen wir an, dein Kollege Stefan verdreht im Gespräch immer mal wieder empört die Augen, seufzt auch gern dazu und haut gelegentlich die eine oder andere Reizformulierung raus, zum Beispiel „Du hast doch keine Ahnung!” oder: „Völlig daneben, was du da sagst!” Dich stören diese Formulierungen und du willst derartige Angriffe nicht einfach so hinnehmen. Schau dir an, wie du diesem Stefan quick and dirty begegnen kannst.

1. Konflikte am Arbeitsplatz wegorientieren: Du bist dann mal woanders – für immer

Du hast einfach keine Lust, das Verhalten deines Kollegen auszuhalten. Du hast aber auch keine Lust aufzubegehren und etwas zu sagen. Du hast Lust auf ein Leben ohne diese Kommunikationsweisen. Du wünschst dir Ruhe und Frieden. Und ohne weiter nachzudenken, ob es schlauere Lösungen geben könnte, entscheidest du dich zu gehen. Und zwar für immer. Niemand zwingt dich, an einem Ort zu bleiben, an dem du hohe (emotionale) Kosten zahlst, weil andere Menschen sich kommunikativ danebenbenehmen.

Du gehst, weil du dir sagst: „Dafür ist mir mein Leben zu kurz.” Dein Gehen ist für dich keine beschämende Flucht eines Verlierers, sondern das selbstbewusste Gehen des Überlegenen. Was bedeutet das Wegorientieren für dich und deine Kompetenz zur Konfliktvermeidung? Welche Vorteile winken? Welche Nachteile drohen?

Vorteile und Nutzen: Du gehst Stefan definitiv aus dem Weg. Du sparst Energie und Zeit, denn das einzige, was du machst, ist Kofferpacken.

Nachteile und Risiken: Du nimmst das Problem möglicherweise mit, weil am neuen Ort auch ein Stefan sein könnte. Die Welt ist endlich, du kannst nicht ewig abhauen.

2. Wegpausieren: Gönn dir eine Auszeit – für heute

Entscheide dich für die kleine Schwester von Wegorientieren, das Wegpausieren, wenn du nicht für immer gehen möchtest. Dann gönnst du dir einfach eine Auszeit. Eine kleine SMS, ein kurzer Anruf, eine offizielle Krankschreibung – dir fällt bestimmt etwas ein, um deine vorübergehende Abwesenheit zu begründen. Vielleicht bleibst du ja auch mal ganz ohne Info weg. Auf Dauer ist dies natürlich keine nachhaltige Strategie, weil du dich ja nicht ewig verstecken kannst. Du brauchst also noch etwas anderes.

Vorteile und Nutzen: Du gehst Stefan heute aus dem Weg. Du sparst Energie und Zeit: keine Interaktion mit Stefan.

Nachteile und Risiken: Du löst das Problem nicht, sondern du sitzt es nur aus, du verschiebst es. Wer zu oft wegpausiert, kriegt Ärger: böse Blicke oder Abmahnungen.

3. Wegvisualisieren: Hol die Scheuklappen raus

Du hast keine Lust auf Wegpausieren, weil du dich nicht verstecken willst und die Konsequenzen scheust. Dann entscheide dich für das Wegvisualisieren. Du entscheidest dich, den Kollegen dieses Mal zu ignorieren: Dein Blick wandert von Person zu Person, aber Stefan sparst du konsequent aus. Vielleicht schaust du ihn aus Versehen mal kurz an, damit deine Strategie nicht auffällt. Doch du trägst selbst gewählte Scheuklappen: Was dir guttut, nimmst du wahr. Was dir nicht guttut, blendest du aus.

Vorteile und Nutzen: Einfach umzusetzen, weil nur du deine Wahrnehmung bestimmst.
Nachteile und Risiken: Wie reagierst du, wenn Stefan dich (darauf) anspricht? Wie reagierst du, wenn andere auch einen auf Stefan machen?

4. Wegrationalisieren: Günstig gedeutet – gelassen geblieben

Du hast keine Lust auf Wegvisualisieren, weil dir die Risiken zu hoch sind? Außerdem willst du selbst entscheiden können, wen du wann und wie lange anschaust? Dann entscheide dich für das Wegrationalisieren.

Nehmen wir an, du hast – aus Versehen – doch kurz zu Stefan hingeschaut. Und dabei gesehen, dass Stefan schon wieder dieses Ding mit den Augen macht. Doch du ärgerst dich nicht, denn du denkst: „Bestimmt hat er eine attestierte Nervenkrankheit.” Stefan seufzt wieder so lautstark. Doch du glaubst: „Wahrscheinlich hat er Asthma.” Stefan verwendet wieder Reizformulierungen. Doch du redest dir ein: „Garantiert hat er sich nur versehentlich im Wort vergriffen.”Was auch immer du hörst und siehst, du findest stets eine für dich günstige Interpretation. Durch diese wohlwollend umgeformte Deutung entgehst du gekonnt allen Kränkungsangeboten.

Vorteile und Nutzen: Gute Schutzfunktion bei Erstkontakten, zum Beispiel bei einer Rede vor einem fremden Publikum.
Nachteile und Risiken: Zweifel an der Plausibilität. Ist dauerhaft kaum aufrecht zu erhalten.

5. Wegnihilieren: Auch mal verzichten können

Du hast keine Lust mehr auf Wegrationalisieren, weil du dir einfach nicht die ganze Zeit etwas vormachen willst und kannst? Dann entscheide dich für das Wegnihilieren.

Verzichte in bestimmten Situationen für eine bestimmte Zeit auf bestimmte Bedürfnisse. Und wenn es nur für fünf Sekunden ist. Bricht dir deshalb gleich ein Zacken aus der Krone? Auf keinen Fall. Die Welt geht nicht unter. Sie wird nur kurz ganz leicht, weil dein Rucksack an Bedürfnissen nichts mehr wiegt. Verzichte nicht aus Angst, sondern aus Intelligenz – weil ein kurzes Außerkraftsetzen dich unabhängig macht.

Nie würdest du deine Bedürfnisse grundsätzlich aufgeben, und schon gar nicht die wesentlichen. Aber in diesem klitzekleinen Moment verzichtest du auf die Befriedigung dieser klitzekleinen Bedürfnisse. Weil dieser Verzicht nicht existenzgefährdend ist, und du dich nicht grundsätzlich verleugnest. Du lässt kurzzeitig los, nicht weil du musst, sondern weil du schlau bist: selbstgewählter, temporärer Bedürfnisverzicht.

Vorteile und Nutzen: Unmittelbare Befreiung jeglicher Ärgergedanken.
Nachteile und Risiken: Du könntest dich daran gewöhnen. Aus der Stärke kann eine Schwäche werden (leichtfertiges Aufgeben).

6. Wegirritieren: Den Angreifer ins Leere laufen lassen

Du hast keine Lust auf Wegnihilieren, weil dir deine Bedürfnisse zu wichtig sind? Du willst ein integres Leben führen und dich behaupten, statt dich zu unterwerfen? Dann entscheide dich für das Wegirritieren. Du signalisierst dem Kollegen, dass du für seine Attacken nicht zur Verfügung stehst, indem du ihn ins Leere laufen lässt.

Es geht dabei nicht um Aufklärung, sondern um Verwirrung. Zünde Nebelkerzen. Und genieße die Enttäuschung im Gesicht deines Gegenübers, wenn er feststellen muss, dass er dich nicht getroffen hat. Falls dein Gegenüber sagt: „Was du gesagt hast, ist unpassend!”, kannst du zum Beispiel folgendermaßen wegirritieren:
» Ja!
» Es kann gut sein, dass meine Offenheit und Direktheit auf dich unpassend wirken.
» Was genau hast du beobachtet, dass du für unpassend hältst?

Habe Spaß mit den Irritationsstrategien wie diesen (weitere findest du im Buch). Und falls du jetzt schmunzeln musst und gewisse moralische Einwände wahrnimmst, schau ins Grundgesetz und stelle fest, dass nichts davon verboten ist. Und was nicht verboten ist, ist erlaubt.

Dein Gesichtsausdruck und deine Stimme sind wichtige Erfolgsfaktoren bei diesen Irritationsstrategien. Je liebevoller dein Blick und je sanfter deine Stimme, desto größer der Effekt.

Vorteile und Nutzen: Du setzt einen Kontrapunkt. Du verschaffst dir Zeit zum Nachdenken.
Nachteile und Risiken: Mancher wird diesen Konter als Provokation (miss-)verstehen und nachlegen. Die Auseinandersetzung kann eskalieren.

7. Wegakzeptieren: Die Dinge aushalten – noch ganz gut

Du hast keine Lust auf Wegirritieren, weil dir das zu heikel ist und du glaubst, dass du nicht schlagfertig genug bist? Dann entscheide dich für das Wegakzeptieren. Du hast keine Lust auf Typen wie Stefan. Du stellst fest, dass du das Auftreten des anderen zwar nicht wertschätzt, aber dass du es ganz gut aushalten kannst. Nicht mit Freude, aber mit Gleichgültigkeit. Es ist, wie es ist. Du kannst einen Haken dranmachen und es einfach so ertragen, ohne innerlich zu hadern.

Vorteile und Nutzen: Sofortiger Entspannungseffekt. Unabhängigkeit vom Verhalten des anderen.
Nachteile und Risiken: Du wirst zum Spielball des anderen. Du überschreitest deine Grenze des Erträglichen.

8. Wegtolerieren: Die Dinge aushalten – gerade noch so

Du hast keine Lust auf Wegakzeptieren, weil du dir deiner eigenen Grenzen nicht so sicher bist? Dann entscheide dich für die kleine Schwester von Wegakzeptieren, das Wegtolerieren. Du weißt, dass du Typen wie Stefan nicht mehr gut aushalten kannst. Sondern nur noch gerade so. Du sagst zwar nichts, aber du haderst. Du leidest. Statt eines Hakens bleibt ein Hadern.

Vorteile und Nutzen: Sofortiger Entspannungseffekt. Unabhängigkeit vom Verhalten des anderen.
Nachteile und Risiken: Du wirst zum Spielball des anderen. Du überschreitest deine Grenze des Erträglichen. Du bezahlst einen Preis für das Unterdrücken deines Widerstands.

9. Wegexilieren: Da ist die Tür, Kollege

Du hast keine Lust auf Wegtolerieren, weil du das auf Dauer nicht aushältst und dich ohnehin schon zu lange unterworfen hast? Dann entscheide dich für das Wegexilieren. Weil du nicht (mehr) annehmen willst, was dein Gegenüber dir anbietet, muss dieser gehen. Voller Entschlossenheit bringst du ihn dazu, den Ort des Geschehens zu verlassen. Dauerhaft. Denn auch du hast unverrückbare Grenzen. Wenn sie erreicht sind, gilt für den anderen: Highlander, es kann nur einen geben. – Und das ist nicht der andere.

Vorteile und Nutzen: Dauerhafte Befreiung vom Ärger-Anbieter.
Nachteile und Risiken: Hohe Wahrscheinlichkeit für Widerstand. (Wer geht schon gerne freiwillig?) Schlammschlacht mit ungewissem Ende. Schuld- und Schamgefühle.

10. Wegverdünnisieren: Keine Chance? Dann nix wie weg

Du hast keine Lust auf Wegexilieren, weil du das deinem Gegenüber nicht antun willst? Oder weil du es vergeblich probiert hast und der andere noch immer da ist? Dann entscheide dich für Wegverdünnisieren.

Mit dieser letzten der zehn Quick-and-Dirty-Strategien gelingt dir der selbstbestimmte Abgang. Du hast getan, was du tun konntest. Der andere ist nicht kooperativ und nicht veränderungsbereit. Also entscheidest du, den Ort des Geschehens selbstbestimmt und erhobenen Hauptes zu verlassen. Dauerhaft. Denn das Leben ist definitiv zu kurz für eine derartige Energie und Zeitverschwendung. Du gehst nicht als Opfer, sondern als Entscheider.

Vorteile und Nutzen: Dauerhafte Befreiung vom Ärger-Anbieter.
Nachteile und Risiken: Du nimmst das Problem möglicherweise mit, weil am neuen Ort auch ein Stefan sein könnte. Die Welt ist endlich, du kannst nicht ewig abhauen.

Noch eine kleine Ergänzung am Ende dieses Kapitels: Das Wegverdünnisieren (Strategie 10) ähnelt in seiner Verhaltensweise dem Wegorientieren (Strategie 1) – in beiden Fällen verlässt du den unerwünschten Ort für immer.

Es gibt jedoch einen wesentlichen Unterschied hinsichtlich des Zeitpunkts und der Haltung: Beim Wegorientieren gehst du sofort, ohne für dich und deine Überzeugungen einzutreten. Beim Wegverdünnisieren gehst du hingegen erst nachdem du alles gegeben hast. Ob du sofort gehst oder erst am Ende, du gehst in beiden Fällen als Gewinner beziehungsweise Entscheider. Je nachdem, wie du die konkreten Rahmenbedingungen vor Ort erlebst, wirst du dich einmal für das sofortige und einmal für die zeitversetzte Variante entscheiden.

Dieser Text ist ein Auszug aus dem Buch „Was mich ärgert, entscheide ich – Konflikte intelligent bewältigen” (Philipp Karch; BusinessVillage, 2018)