Mütter wissen sehr genau, was sie tun, wenn es um die Planung der Karenz in Hinblick auf die Karriere geht – das zeigt eine aktuelle Studie der WU-Professorin Sylvia Frühwirth-Schnatter, Leiterin des Instituts für Statistik und Mathematik. Sie untersuchte mit Kolleginnen anhand ihres neu entwickelten, statistischen Modells, ob Frauen, welche die längste mögliche Karenzzeit in Anspruch nehmen, längerfristig finanziellen Schaden daraus ziehen. Die Ergebnisse machen deutlich, dass Mütter sehr genau bedenken, wie lange ihre Karenz dauern darf, ohne finanzielle Schäden durch verpasste Karrierechancen davonzutragen. Zudem zeigte sich, dass generell Arbeiterinnen nach dem Wiedereinstieg in den Beruf höhere finanzielle Einbußen verzeichnen als Angestellte.
Bei der Frage nach der Dauer einer Elternkarenz, spielt zumeist der wirtschaftliche Aspekt eine wesentliche Rolle. Wie lange ist eine Karenz „leistbar“, welchen Schaden stellt sie für die persönliche Karriere dar, verpasst man mögliche berufliche Chancen? WU-Professorin Sylvia Frühwirth-Schnatter, Leiterin des Instituts für Statistik und Mathematik, und ihren Kolleginnen Helga Wagner, Universität Linz, und Liana Jacobi, University of Melbourne, entwickelten ein neues Modell, das ermöglicht mittels eines lernfähigen Algorithmus Antworten auf die Frage „Was wäre, wenn“ zu geben und wandten es genau auf jene Fragen zum Thema Elternkarenz an. Dafür wurden die Einkommensdaten und Karenzzeiten von insgesamt 31.000 Müttern in Österreich herangezogen.
Mütter erleiden generell Einkommenseinbußen in den ersten Jahren des beruflichen Wiedereinstiegs nach der Karenz. Einer der Gründe dafür sind die reduzierten Arbeitsstunden. Der durchschnittliche Einkommensrückgang betrug 4.700 Euro pro Jahr für die mehr als 31,000 untersuchten Mütter. Die Gehaltseinbußen reduzieren sich vor allem im dritten Jahr nach Wiedereinstieg, da nun für den Nachwuchs eine größere Zahl an Kinderbetreuungsplätzen als zuvor für das Kleinkinder zur Verfügung steht, sowie im sechsten Jahr mit dem Schuleintritt des Kindes.
Karenz ist eine bewusste Entscheidung
Durch das neue statistisch-ökonometrische Modell wurde sichtbar gemacht, welche finanziellen Einbußen Frauen in Kauf nehmen müssen wenn sie sich für eine kürzere oder längere Karenz entschieden hätten. Zudem bringt das Modell auch Antwort auf die Frage, ob Mütter, die 18 Monate oder länger in Karenz waren, einen Vorteil in ihrer Karriere gehabt hätten, wären sie kürzer in Elternkarenz geblieben. Die Ergebnisse machen deutlich, dass Frauen sehr genau wissen, warum sie ihre Entscheidungen wie treffen. Es zeigte sich, dass Frauen, die lange in Karenz bleiben, langfristig keine finanziellen Einbußen daraus ziehen. Jene Frauen, die nur kurz für die Kinderbetreuung nach der Geburt des Kindes zu Haus bleiben, würden bei einem längeren Karenzurlaub sehr wohl finanzielle Schäden davon getragen.
„Wir sehen aus heutiger Sicht, dass Frauen, die im Untersuchungszeitraum nur kurz in Karenz waren, tatsächlich langfristig finanzielle Einbußen von 15 Prozent gehabt hätten, weil sie Karrierechancen nicht wahrnehmen und somit den ‚Sprung‘ nicht machen hätten können. Bei Frauen, die sich allerdings ganz bewusst für mehr als 18 Monate Karenz entscheiden, verschwinden die kurzfristigen Einkommensverluste und die Frauen kommen nach ihrem Eintritt schnell wieder auf das Gehaltslevel vor ihrer Karenz. Dies erklärt sich in der Regel dadurch, weil diese Frauen vor der Karenz keine Karriere- oder Gehaltssprung in Aussicht hatten“, erklärt Frühwirth-Schnatter. Zumeist sind Mütter, die sich für eine kurze Elternkarenz entscheiden, auch Besserverdienerinnen. Mit dem Modell lässt sich auch berechnen, mit welcher Wahrscheinlichkeit sich Eltern für eine Karenzvariante entscheiden.
Unterschiede nach Arbeitsverhältnis
Das entwickelte Modell erlaubt einen genaueren Blick auf die Faktoren, die entscheidend für die prozentuellen Gehaltseinbußen sind. Dabei zeigt sich, dass Arbeiterinnen im Vergleich zu Angestellten benachteiligt sind – sie müssen um etwa 10 Prozent stärkere Einbußen hinnehmen, selbst wenn sie vor der Karenz gleich viel verdient haben. Dabei spielt auch keine Rolle, ob die Arbeiterin sich für eine kurze oder lange Karenzzeit entschieden hat.
Für alle Wiedereinsteigerinnen sind die Gehalteinbußen geringer, wenn sie zum selben Arbeitgeber zurückkehren.
Gehaltsentwicklung im Fokus
Bei ihren Untersuchungen griff Sylvia Frühwirth-Schnatter als Mitglied eines durch den FWF Wissenschaftsfond geförderten nationalen Forschungsnetzwerkes, das sich speziell Themen des Sozialstaates und des österreichischen Arbeitsmarktes wissenschaftlich angenähert hat, auf Daten des Hauptverbandes der Österreichischen Sozialversicherungsträger zurück. „Durch unser vergleichsweise solides Sozialsystem in Österreich, verfügen wir über einzigartige Informationen wie demografische Daten, Arbeitszeiten und Gehaltsentwicklung der österreichischen Bevölkerung. Dies ermöglicht uns, wichtige, gesellschaftliche und politische Fragen mittels Statistiken beantworten zu können“, so die WU-Professorin. Im Jahr 2000 trat eine gesetzliche Änderung in Kraft, die Frauen eine längere Karenzzeit ermöglichte – bis zu 30 statt maximal 18 Monate. Mit diesem Anhaltspunkt konnte in einem Untersuchungszeitraum von sechs Jahren beobachtet werden, ob Frauen sich für eine längere Karenzzeit entschieden und, wie sich ihre berufliche Laufbahn in den ersten Jahren nach dem erneuten Berufseintritt nach der Karenz entwickelte. Genauer betrachtet wurde dabei die Entwicklung des Lohns.
Politische Wegweiser
Die Ergebnisse machen deutlich, wie wichtig es für viele Frauen aus beruflicher Perspektive ist, schnell in ihren Beruf zurückkehren zu können und unterstreichen die hohe Bedeutung von ausreichend Kinderbetreuungsplätzen und anderen Angeboten, die Eltern bei der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie unterstützen.