Impostor-Syndrom: Die Angst, ein Hochstapler zu sein

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Bei Erfolg hat man nur Glück gehabt, Lob löst Misstrauen aus. Kennen Sie das? Dann leiden Sie vielleicht unter dem Impostor-Syndrom. Wege aus der Hochstapler-Falle kennt Dr. Michaela Muthig. Sie ist Fachärztin für Allgemeinmedizin und Psychosomatik mit Schwerpunkt Verhaltenstherapie. Als Coach begleitet sie Menschen, die vom Impostor-Syndrom betroffen sind. In ihrem Buch „Und morgen fliege ich auf” (dtv, 2021), zeigt sie, wie man sich von dieser speziellen Form des Minderwertigkeitskomplexes befreien kann.

Wer am sogenannten Impostor-Syndrom leidet, sieht sich deutlich negativer, als andere ihn sehen. Hat er Erfolg, stärkt das nicht sein Selbstbewusstsein, sondern erfüllt ihn mit Versagensangst. Wahrscheinlich hatte er einfach nur Glück und beim nächsten Mal wird alle Welt merken, dass er in Wirklichkeit ein Hochstapler ist! Lob ist ihm unangenehm. Er glaubt, es nicht verdient zu haben. Das Impostor-Syndrom ist weitverbreitet. Wer es hat, weiß jedoch oft nichts davon, sondern meint, er litte einfach an Selbstzweifeln oder Minderwertigkeitsgefühlen.

Es gibt fünf Varianten des Impostor-Syndroms, die sich durch die Gründe unterscheiden, aus denen der Betroffene sich für inkompetent hält:

  1. Für das Naturtalent zählen nur mühelos errungene Erfolge. Musste er sich anstrengen, meint er, kein Lob zu verdienen.
  2. Für den Perfektionisten zählen nur fehlerfreie Leistungen. Solange es noch Luft nach oben gibt, kann er Lob nicht annehmen.
  3. Der Superheld meint, alle Lebensbereiche im Griff haben zu müssen, um wirklich kompetent zu sein. Wenn ihn jemand etwa für Berufliches lobt, denkt er: „Wenn du wüsstest, wie es privat bei mir aussieht.“
  4. Der Experte hält sich nur dann für wirklich kompetent, wenn er alles über sein Fachgebiet weiß. Sobald er eine Frage nicht beantworten kann, beweist ihm das, dass er kein Experte ist.
  5. Der Einzelgänger will alles aus eigener Kraft schaffen. Andere um Hilfe bitten zu müssen, ist für ihn ein Beweis seiner Inkompetenz.

Vom Impostor-Syndrom Betroffene nehmen sich verzerrt wahr und bewerten sich übermäßig streng

Vermeintliche Hochstapler sehen sich selbst in einem Zerrspiegel. Dieser besteht aus mehreren Schichten:

Wahrnehmung. Was wir wahrnehmen, wird stark von unserer Einstellung beeinflusst. Haben Sie als vom Impostor-Syndrom Betroffener etwa Angst, Ihr Gegenüber zu enttäuschen, werden Sie überempfindlich für vermeintliche Anzeichen, dass derjenige tatsächlich von Ihnen enttäuscht ist. In der Folge haben Sie noch mehr Angst, eigentlich ein Hochstapler zu sein.

Bewertung. Was wir wahrnehmen, bewerten wir. Vermeintliche Hochstapler aber legen an ihre eigene Leistung einen weit strengeren Maßstab an als an die Leistung anderer. Sie machen zudem sich selbst für Misserfolge verantwortlich, während sie Erfolge äußeren Umständen zuschreiben.

Gefühle. Unsere Bewertungen lösen schließlich Gefühle aus. Diese bestimmen wiederum unser Selbstbild. Beim vermeintlichen Hochstapler sind das vor allem Angst, Scham und Schuldgefühle. Sie verstärken sich gegenseitig und machen eine rationale, objektive Beurteilung des eigenen Selbst unmöglich.

Verhalten. Verhalten wird großteils von Gefühlen gesteuert. Vom Impostor-Syndrom Betroffene werden von ihrer Angst vor die Alternative gestellt: Flucht, Kampf oder Erstarrung. Die Fluchtoption wählen sie eher selten, da sie ja auf keinen Fall ihre Mitmenschen enttäuschen wollen. Vielmehr werden sie aus Angst entweder zu Über- oder Unterleistern. Als Überleister reiben sie sich in akribischer Vorbereitung auf, als Unterleister fühlen sie sich durch ihre Angst blockiert und sind unfähig, irgendetwas zu tun.

Kindheitserfahrungen begünstigen die Ausbildung eines Impostor-Syndroms, Social Media verstärken es noch

Wie aber entwickelt jemand ein Impostor-Syndrom? Die Gründe sind vielfältig. Zum einen begünstigen bestimmte Persönlichkeitszüge das Syndrom. Introvertierte, perfektionistische und ängstlich-neurotische Menschen mit geringem Selbstwertgefühl etwa sind anfälliger als extravertierte und selbstbewusste.

Auch Kindheitserfahrungen spielen eine Rolle. Wer als Kind etwa Überforderung oder Unsicherheit erlebt hat, neigt später eher dazu, sich als Hochstapler zu fühlen. Solche Erfahrungen machen etwa Scheidungskinder, die die Rolle des fehlenden Elternteils annehmen. Kinder können aber auch durch Lob ein überzogenes Idealbild entwickeln, dem sie glauben, entsprechen zu müssen, und an dem sie ihr Leben lang leiden. Wer zum Beispiel für sportliche Erfolge gelobt wird, glaubt vielleicht, immer auf dem Siegertreppchen stehen zu müssen, und hat immer mehr Angst, die Eltern zu enttäuschen.

Schließlich verstärken auch Social Media das Impostor-Syndrom. Dort zeigen Menschen sich immer nur von ihrer Schokoladenseite. Gegen derlei idealisierte Selbstdarstellung kommt das eigene Leben natürlich nicht an, was bei vielen Menschen […]

 

Dieser Text ist ein Auszug aus der Buchzusammenfassung von getAbstract, einem der weltweit größten Anbieter von Sachbuch-Zusammenfassungen. getAbstract findet, bewertet und fasst relevantes Wissen zusammen und hilft Menschen so, beruflich und privat bessere Entscheidungen zu treffen.