Fair geführte Unternehmen sind nachweislich langfristig erfolgreicher. Grund genug, sich als Führungskraft mit dem Thema Fairness am Arbeitsplatz auseinanderzusetzen: Warum ist Fairness eine Führungskompetenz? Wie kann ich mich als Führungskraft selbst gegen Unfairness schützen? Wie kann ich meine Fairnesskompetenz einschätzen, ausbauen und nutzen? Die folgenden sieben Tipps helfen, Fairness am Arbeitsplatz und in den Führungsalltag zu integrieren.
1. Tipp: Fairness ist ein Erfolgsfaktor für die Zusammenarbeit von Menschen. Nutzen Sie ihn!
Für Zyniker mag es sich naiv anhören: Fairness ist Menschen sehr wichtig. Auch im beruflichen Umfeld spielt es eine große Rolle, ob wir — oder auch andere — fair behandelt werden. Als Führungskraft können Sie Fairness als Verhaltensmaxime nutzen und damit erfolgreich sein.
2. Tipp: Fairness am Arbeitsplatz ist ein Führungsthema.
Was den Menschen wichtig ist, kann Führungskräften nicht egal sein. Sich herauszuhalten, funktioniert für Führungskräfte nicht; denn sie werden für wahrgenommene Unfairness (mit)verantwortlich gemacht. Sie stehen unter besonderer Beobachtung und sollten zeigen, dass ihnen die Bedeutung dieses Themas bewusst ist. Darüber hinaus ist es wichtig, dass sich auch Führungskräfte fair behandelt fühlen; denn auch sie müssen sich wohlfühlen, um gut zu führen.
3. Tipp: Fairness ist das, was die Menschen darunter verstehen. Sprechen Sie über Fairness!
Für Fairness gibt es keine einheitliche Definition. Wir nehmen Fairness am Arbeitsplatz sehr individuell und subjektiv wahr; wir interpretieren Verhalten und Ergebnisse sehr unterschiedlich. Deshalb braucht es gemeinsame Klärungen im Alltag, indem wir darüber sprechen, was wir als fair oder unfair wahrnehmen. Führungskräfte können bestehende Anlässe wie Meetings oder Jour-Fixe-Runden nutzen oder auch besondere Gelegenheiten schaffen (Workshops, Projekt-Kick-offs), um miteinander ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln. Fairness lässt sich nicht von oben diktieren.
4. Tipp: Fairness lohnt sich, Unfairness kostet. Nutzen Sie den „Return on Fairness“!
Natürlich kann uns Unfairness etwas „bringen“ – wir zahlen dafür jedoch auch einen Preis. Führungskräfte sollten hier eine vollständige Kalkulation aufstellen, im Sinne einer „Gewinn- und Verlustrechnung“. Auf der „Kostenseite“ sorgt Unfairness für Ärger, Misstrauen, Demotivation, Krankheit, Fehlzeiten, Kündigungen, Imageschäden, Rache und Rechtsstreitigkeiten. Die betriebswirtschaftlichen Kosten sind häufig höher als der Ertrag. Demgegenüber steht ein „Return on Fairness“, der im Zeitalter agiler Zusammenarbeit sogar noch größer werden wird; denn Menschen brauchen das Gefühl, dass die Zusammenarbeit fair und verlässlich funktioniert.
5. Tipp: Fairness fällt nicht vom Himmel. Schaffen Sie die Voraussetzungen!
Eine der größten Hürden auf dem Weg zu einem fairen Miteinander ist das häufig anzutreffende „Image“ von Fairness: Faires Verhalten gilt als naiv, unfaires als tough. Wir sollten uns allerdings die Chancen von Fairness und die negativen Folgen von Unfairness nicht klein reden (lassen). Fair sein zu wollen, ist nicht blauäugig und dumm, sondern ein Zeichen von Führungsstärke.
Neben dem Willen zur Fairness braucht es auch Mut. Er entscheidet, ob wir z. B. bei Unfairness aktiv werden; unsere Sozialkompetenzen entscheiden dann darüber, wie fair und wirkungsvoll wir es tun. Als wichtige Kompetenzen sind hier genannt: Empathie, Reflexions- und Kritikfähigkeit, Kommunikations-, Kooperations- und Konfliktkompetenz, zu der insbesondere auch emotionale Stabilität und Selbstbeherrschung gehören. Als Führungskraft können wir bei uns selbst und bei unseren MitarbeiterInnen solche Fairnesskompetenzen stärken.
6. Tipp: Es gibt Orientierungshilfen für faires Führen. Entscheiden Sie smart!
Der erste Hinweis mag zunächst banal klingen, ist es aber nicht: Denken Sie an Fairness! Lassen Sie Fairness zu einem bewussten(!) Kriterium für Ihr Verhalten werden und orientieren Sie sich in ihren Entscheidungen auch an der Frage: Was ist in dieser Situation fair – aus der Sicht möglichst vieler Betroffener? Natürlich können wir im Berufsalltag nicht in jeder Situation mit allen Betroffenen sprechen; je mehr wir aber über die verschiedenen Interessen und Einschätzungen von fair oder unfair reden, umso stabiler wird unsere Orientierung. Ein solches „Fairness-Feedback“ – auch zu bereits vergangenem Verhalten – stärkt unsere „Fairness-Intuition“.
Um faire Entscheidungen herbeizuführen, helfen „Klärungsfragen“, die wir uns selbst und anderen stellen können. Beispiele: Wie würden Sie entscheiden, wenn Sie nicht wüssten, in welcher Rolle Sie von der Entscheidung betroffen sein werden? Gibt es Gesetze, Normen, Vereinbarungen, ethische Standards etc., die ein bestimmtes Verhalten vorsehen? Welchen Ermessensspielraum gibt es? Welches Verhalten ist als „gerecht“ zu bezeichnen auf der Grundlage von Bedürftigkeit (needs), erbrachten Leistungen, Ergebnissen oder eines anderen Kriteriums? Wie ist der Entscheidungsprozess abgelaufen? Sind alle Betroffenen zu Wort gekommen (voice)? Sind alle Interessen wahrgenommen worden, welche nicht? Können Sie Ihre Entscheidung, Ihr Verhalten und die Auswirkungen Ihrer Familie oder guten FreundInnen überzeugend erklären? Würden Sie sich wohlfühlen, wenn darüber offen in der Organisation oder sogar in den Medien berichtet würde? Hilfreich sind auch „Fairness-Vorbilder“, also Menschen, die sich wahrnehmbar fair verhalten haben. Wir können von ihnen lernen.
7. Tipp: Unfairness gibt es. Gehen Sie fair mit Unfairness um!
Als Führungskraft sind wir dafür verantwortlich zu reagieren, wenn wir selbst oder andere unfair behandelt werden. Dazu steht uns ein Repertoire an Verhaltensweisen zur Verfügung: Es gilt zunächst, dem „Opfer“ beizustehen: Empathie zeigen, auf die Person zugehen oder auch Hilfe zusichern. Unfairness sollte darüber hinaus gegenüber den Beteiligten angesprochen werden. In einem weiteren Schritt geht es darum, die Ursachen des unfairen Verhaltens herauszufinden – auch um den „Täter“ darin unterstützen zu können, in Zukunft anders zu handeln. Im Alltag können auch Rituale helfen.
Beispiele aus der Unternehmenswelt zeigen, dass „Gelbe Karten“ oder auch „kleine Wiedergutmachungen“ sehr erfolgreich sind. Sehr wirkungsvoll ist zudem, eine „Kultur der Entschuldigung“ zu entwickeln. Die negativen Folgen von unfairem Verhalten lassen sich mit einer ehrlichen Entschuldigung deutlich mildern. Hier sind Führungskräfte und MitarbeiterInnen gleichermaßen gefordert.
Bonus-Tipp: Aufschreiben hilft bei unfairem Verhalten
Opfern von Unfairness tut es gut, wenn sie das Geschehene schriftlich festhalten. Das ist wissenschaftlich erwiesen. Schriftliche Beschwerdemöglichkeiten mindern das Konfliktpotenzial von unfairen Aktionen. Auch Methoden der Konfliktlösung bis hin zur Mediation zeichnen die Fairness- und Führungskompetenz von Führungskräften aus. Der Einsatz von Strafen kann dann nämlich häufiger die „ultima ratio“ bleiben. Bei Unfairness sollten wir zwar nicht wegschauen, es braucht aber auch nicht immer sofort eine Bestrafung.
Mit diesen Verhaltensweisen können Führungskräfte Führungsstärke zeigen – und damit Fairness am Arbeitsplatz als Erfolgsfaktor nutzen.
Über den Autor
Dr. Ulrich Wiek ist zertifizierter Fairnesscoach und Experte für Fairness und Werte in Kommunikation und Führung. Er verfügt über 20 Jahre Berufserfahrung in verschiedenen Branchen. Sein Buch „Fairness als Führungskompetenz” ist 2018 im Springer Verlag veröffentlicht worden.